Vorläufe zum 126. Traber-Derby: Keiner der Gesetzten strauchelt
(MW) Die erste Schlacht zum in zwei Wochen zum 126. Mal ausgetragenen Derby ist geschlagen, und es kam fast so wie von Fachleuten und Laien prognostiziert. Die in den vier Vorläufen vom Veranstalter gesetzten der 31 Pferde - eine als rötlich gefärbter Schimmel auffällige Stute wagte sich gegen 30 Vertreter des starken Geschlechts - zogen samt und sonders ins mit mindestens 207.000 Euro dotierte Finale grande ein, wenn auch zwei mit mehr oder minder starken Brüschen: Jimmy Ferro BR wurde aufgrund seines mäßigen Beginns „nur“ Zweiter hinter Überraschungssieger Lorens Flevo, der dem Dream-Team von Paul Hagoort als Vorbereiter und Robin Bakker als gnadenlosem Vollstrecker den ersten von drei Besuchen im Winner Circle bescherte, womit die Mannen aus Oldetrijne gemeinsam mit Wolfgang und Michael Nimczyk die Protagonisten des von Regenschauern begleiteten Tages waren. Schlimmer erwischte es Teatox, der nach seiner schweren Erkrankung längst nicht auf Hundert war und trotz seines Lieblings-Runs von der Spitze nur mit Ach und Krach als Dritter weiterkam. Den kompletten Durchmarsch der in den Niederlanden trainierten Dreijährigen verhinderte im 4. und mit 1:13,5 rasantesten Vorlauf mit den buchstäblich letzten Schritten Days of Thunder, mit dem der Wahl-Berliner Thorsten Tietz besagte Schimmelstute Riet Hazelaar vom höchsten Podest kegelte.
Über allen jedoch thront Usain Lobell. Der Sohn der Lobell Countess, die sich 2011 als bislang letzte Lady gegen die Herren mit dem Blauen Band schmücken konnte, hatte in „Todes-Vorlauf 2“ dien miesesten Startplatz, den anspruchsvollsten Verlauf wegzustecken und zudem Geheimfavorit Rob The Bank im Nacken. Ein kurzes Antippen - und der Braune ließ die Rivalen auf der Zielgeraden stehen wie weiland Usain Bolt die seinen auf der Aschenbahn. Ob dieser Schau fällt es schwer, sich einen anderen Derby-Sieger als den mit einer Bierruhe gesegneten Sprössling des französischen Adlers Bold Eagle vorzustellen. Aber man hat ja angeblich schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen, und der im Vorjahr ähnlich unbezwingbar scheinende Keytothehill ist ein mahnendes Menetekel.
Die Vorläufe
Mit einem Paukenschlag ging’s in Vorlauf 1 los, denn nicht der gesetzte und sich nach dem gewohnten Sicherheitsstart prächtig verkaufende Jimmy Ferro BR lachte zuletzt, sondern der von „Mister Derby“ Robin Bakker früh nach vorn beorderte 248:10-Außenseiter Lorens Flevo. Der mächtige Fuchswallach aus dem mittlerweile gefürchteten Erfolgsquartier von Paul Hagoort gewann viel leichter, als der Eine-Länge-Vorsprung vor Jimmy Ferro BR und dem perfekt im Windschatten des Siegers untergekommenen Timothy B aussagen mag. 1:14,2 war die erste Messlatte, mit der der SJ’s-Caviar-Nachkomme seine Bestmarke zur rechten Zeit um 1,4 Sekunden verbesserte. „Er musste seine Grenzen nicht ausloten - die Zugwatte blieb drin“, konstatierte Bakker.
„Alles für Oranje“ hieß es in Qualifier 2, in dem der haushohe Favorit Usain Lobell allen Unken gewaltig Kontra gab, die da meinten, Rob The Bank, Grand Ready Cash oder irgendein „Abstauber“ könne ihm, der in der „Todesgruppe“ ganz außen los musste, das Wasser abgraben. Wie ein Pfeil schnellte Ares B los, ließ Rob The Bank abblitzen, jedoch 1.300 Meter vorm Ziel Grand Ready Cash vorbei - und fiel 300 Meter weiter im Galopp aus. So konnte der durch die Außenspur pflügende Usain Lobell hinter dem Tempobolzer einparken und hatte selbst Rob The Bank am Hacken. 500 Meter vorm Ziel ging Robin Bakker in die Offensive, und der Rest war eine Demonstration der Stärke: Der erst einmal gestartete Grand Ready Cash war von diesem Monster sofort gefressen, und auch Rob The Banks Versuche perlten ab wie Wasser an einer Teflonschicht. „Wir brauchen kein Glück - nur Pech dürfen wir nicht haben“ - das Motto für den Vorlauf gilt für die Buddenbrock-Sieger auch im Finale, in das sie bei nunmehr regenschwerer Bahn in 1:13,8 mit Hurra einzogen.
In Vorlauf 3 waren allein der gesetzte Teatox und Global Ufo beim „Ab“ korrekt am Startauto - dieser Versuch hätte so nie abgehen dürfen -, löste das stürmisch losfliegende Ufo bald an der Spitze ab - und erlag an der letzten Ecke dem Dauerdruck Don Trixtons. Die große Hoffnung der Berliner, ein auf der Derbybahn trainiertes Pferd wie der Sohn der Donna Kievitshof könne als Sieger ins Finale einziehen, vereitelte Global Ufo. Jaap van Rijn zirkelte den bislang sieglosen Wallach weit nach außen und fing die Berliner Pflanze in 1:14,4 um einen „Hals“ ab. 3½ Längen dahinter zog Teatox gegen Ole Bo den Kopf um eben diesen Abstand gerade so aus der Schlinge und darf in 14 Tagen noch mal ran.
Die härteste Schlacht um die drei Final-Billets wurde in Elimination 4 geschlagen, in der es schon der Kampf ums Kommando in sich hatte. Nach wahnwitzigen 1:04,8 für die ersten 300 Meter hatte Thorsten Tietz ein Einsehen und brach mit dem gesetzten Days of Thunder die knüppelharte Attacke auf Riet Hazelaar ab, die fortan lange ihre Ruhe hatte und die Zielgerade mit zwei Längen Vorsprung erreichte. Das war jedoch noch lange nicht das Ende der Messe. Days of Thunder warf sein ganzes Kämpferherz in die Waagschale, rang die Fuchsschimmelstute mit letzter Kraft um einen „Hals“ nieder und durchbrach die Phalanx der Niederländer: Trainiert wird der Adbell-Toddington-Sieger von Robert Gramüller und Josef Sparber. Die letzte Endlauf-Fahrkarte ergatterte Lockheed Draviet, womit die drei am Totalisator Gemeinten unter sich waren.
Franzls Geburtstags-Doublette
Was für ein Geschenk machte sich Josef Franzl zum heutigen 50. Wiegenfest mit Piemonte, der im Pokal der Vier- und Fünfjährigen nicht nur eine, sondern zwei Klassen besser war als der gewiss nicht schlechte Rest! Der mächtige Trixton-Sohn, mit Startplatz „10“ nicht eben ideal bedient, fegte vorm Publikum wie ein Düsenjäger in dritter Spur am Feld vorbei bis an die Spitze. Wer befürchtet hatte, der Braune habe sich mit diesem exorbitanten Zwischenspurt übernommen, wurde gründlich eines Besseren belehrt. Wie ein Brett lag er auf der Überseite, und als ihm „Seppi“ auf der Zielgeraden den Kopf ein wenig freigab, schnurrte er in bombastischer Manier davon. „Er steht in den Startlöchern für Schweden und wird demnächst wohl in seinem nominellen Heimatland antreten, wo wir unter vielen passenden Aufgaben wählen können“, verabschiedete der Jubilar sein Pferd quasi aus Deutschland. Und weil man bekanntlich auf einem Bein nur schwerlich stehen kann, packte das Geburtstagskind mit der ebenfalls mit der zweiten Startreihe gestraften Lasbeker Schwedin Palmyra noch einen drauf - diesmal aus der Deckung durch die vierte Schlussbogenspur mit krachendem Speed, dem keiner der Konkurrenten gewachsen war.
Ein dicker Wurm steckte im Gerhard-Krüger-Memorial, dem ersten deutschen Zweijährigen-Rennen dieser Saison. Unmittelbar vor dem „Ab“ entledigte sich Cash to Thelimit S Gerhard Mayrs, entschwand in den Stallbereich und musste der Prüfung fernbleiben; Glück im Unglück, dass „Ross und Reiter“ unverletzt blieben. Den gültigen Start sahen Pride of Bo und Marinho Boko nur aus endloser Ferne, und als im ersten Bogen Majestic und Jamaica Brown schwer patzten, waren nach 400 Metern zunächst lediglich drei Aspiranten im engeren Gespräch. Von denen zeigte die fliegend eingetretene Philadelphia Bo dem Favoriten Smart Hill As lange den Weg und wehrte sich auch die Zielgerade herunter erbittert, jedoch vergeblich. Robin Bakker musste hinter dem von Patrick Maleitzke gezüchteten Sohn des amerikanischen Super-Vererbers Muscle Hill keine Hand rühren, um Sieg samt 4.400 Euro für die Herren Isliker und Thomaskamp nach Hause zu schaukeln. Trotz des Fehlers im ersten Bogen holte Majestic Platz drei.
Anders als tags zuvor konnten zum Auftakt die Favoritenwetter jubeln, denn fast Start-Ziel wurde Lancaster Newport in der Klasse der Gewinnärmsten seiner exponierten 12:10-Stellung vollauf gerecht, führte fast vom Start bis ins Ziel ein eisernes Regiment und legte beim zweiten Auftritt die Maidenschaft ab, womit der Renntag für Michael Nimczyk exzellent losging. In praktisch identischer Manier gab der 36jährige eine Gewinnklasse höher mit Lindstedt Boko der Konkurrenz überlegen Saures; auch für den SJ’s-Caviar-Hengst der Carpe Diem Stables war‘s der erste Besuch in einem Winner Circle.
„Nimczyk zum Dritten“ hieß es in der sportlich wertvollsten Aufgabe für ältere Traber. Mit Krachern nur so gespickt war das Finale der sich durchs Jahr ziehenden Silberserie, zu der unter anderem Wolvegas Bahnrekordler Barateau sein „présent“ gab, zum Favoriten erkoren wurde - und ziemlich glatt entzaubert wurde. Deutschlands Champion hatte die blendende Idee, mit Bayard eine langsamere Phase nach 400 Meter zum Überfall auf Virginias Prime zu nutzen, der ihn auf Zielschildhöhe widerstandslos passieren ließ. Jaap van Rijn konnte sich für Barateau über den Verlauf nicht beklagen, hatte er doch außen in John King Boko eine erstklassige Lokomotive. Als er zur Tat schritt, hatte auch Bayard noch ordentlich was auf der Pfanne. „Als ich die Zugwatte zog, ging ein Ruck durch ihn“, gab Nimczyk anschließend preis. Der Ready-Cash-Sohn aus Zucht und Besitz des Stalles Germania setzte sich ab wie ein Pferd anderer Klasse und war auch durch den speedigen Winnetou Diamant nicht mehr zu packen, der Barateau gar noch den zweiten Rang ablief.
Kaum 24 Stunden Zeit zur Erholung hatten nach den gestrigen Vorläufen die Handicapper de luxe, was Johanna Baldwin am besten wegsteckte. Nach eher gebremstem Beginn ließ Thomas Reber sie im ersten Bogen knattern, war ausgangs desselben vorn, wehrte die Attacken von Grietje und Villeneuf ab und führte sie zum nächsten Erfolg. 4.200 Euro an zwei Tagen verdient - so leicht flutschte das für die Yarrah-Boko-Tochter, die beim dritten Sieg am Stück en passant ihren Rekord verbesserte.
Den Nummer-eins-Hit bei den Oldies - jenen Fahrern, die das 60. Lebensjahr vollendet haben - landete Rolf Hafvenström mit Purple Rain. Wie ein jugendlicher Haudrauf ließ Sepp Sparber Hidalgio Heldia kesseln, zu dem Kjeld von Haithabu so gut es ging Kontakt zu halten suchte, während Purple Rain 20, 30 Meter zurück den Rest anführte. „Eingangs der Schlusskurve wusste ich, dass wir gewinnen würde, denn ich hatte noch richtig was in der Hand“, verriet der Berliner Schwede, der mit dem Fast-Photo-Sohn die beiden Hasen einsammelte und versprach, „noch 30 Jahre im Sulky aktiv zu sein“ - dann wäre er 105…
Das Finish des Wochenendes lieferten - wie passend - die vierbeinigen Publikumslieblinge und entschädigten für den kräftigen Regenschauer, der auf Zwei- wie Vierbeiner niederprasselte. In einem Millimeter-Finish bekam der mit unterirdischen Formen auf seinen geliebten Mariendorfer Rechtskurs zurückgekommene Massai aus der Todeslage die von Heinz Wewering früh in Front gewuchtete Victorymoko gerade so zu packen. Der Zielpfosten durfte keinen Meter weiter stehen, sonst hätte Laurel Park gewonnen, der mit einer galaktischen Energieleistung aus hinteren Sphären nur um einen „halben Kopf“ den Kürzeren zog. „Mit vier Disqualifikationsformen hätte ich nie gedacht, dass Massai um die 50:10 zahlen würde. Aber die Wetter vergessen inzwischen kein Rennen mehr und wissen, dass er rechtsherum viel besser läuft“, war Tom Kooymans Kommentar, der auch fürs Bonmot des Tages sorgte auf den Hinweis, dass Besitzer Robin Goudsblom an dem fast schon ausgemusterten stolzen Krieger festgehalten hatte: „Ein Spruch aus Holland lautet: Wenn Du gewinnst, bekommst Du Champagner, machst Du vermeintlich was falsch, gibt’s nicht mal ein Glas Wasser.“ Dafür lachte auch die Sonne wieder vom Himmel.
Einmal war der Amateure Recht. Obwohl Honfleur sofort die Spitze ergatterte und dort lange nicht angegriffen wurde, tauchte die Stute am Ende völlig unter. Der kleine JFK raufte, was das Zeug hielt - und brachte sich sein Verderben in Gestalt von Handsome Guy im Schlepptau mit. Der fünfjährige Hengst erwies sich in der Hand von Cathrin Nimczyk in der Tat als ausnehmend braver Junge und kanzelte JFK ganz leicht ab.
Der Absacker des sich bis in die Abendstunden ziehenden Renntags war den Trotteurs français vorbehalten, von denen „Flüster-Tipp“ Fan d’Arifant seine 20-Meter-Zulage wie seine Bandkollegen rasch aufarbeitete. Ein knackiger Zwischenspurt vor den Tribünen bescherte dem mit Rudi Haller liierten Wallach 1.100 Meter vorm Zielpfosten die Führung, die er gegen Expandable Hope mit Klauen und Zähnen verteidigte und die Mehrzahl der noch im Spiel befindlichen V7+-Wetter glücklich machte.
Wie üblich gilt der letzte Blick der Arbeit der realen und virtuellen Wettkassen. Der Umsatz pro Rennen blieb mit 26.815 Euro knapp unter jenem des Vorjahrs, als in jedem der 14 Rennen im Schnitt 27.288 Euro gewettet worden waren.
Umsatz bei 15 Rennen: 402.232,35 Euro (incl. 271.554,64 Euro Außenwette), davon 38.635,35 Euro in der V7+-Wette