Dion Tesselaars Sternstunde
Absolut unfassbar: Im Breeders-Crown-Hauptlauf der älteren Hengste und Wallache triumphiert der Niederländer mit dem längsten Außenseiter Officer Stephen. Bei den Stuten gibt es dagegen keine Überraschung: Die von Michael Nimczyk präsentierte Goldy Stardust ist einmal mehr das Maß aller Dinge.
Es war eines der bestbesetzen Rennen der letzten Jahre: Der inklusive der fünfzehnprozentigen Züchterprämie mit fast 59.000 Euro dotierte Breeders-Crown-Hauptlauf der fünf- bis siebenjährigen Hengste und Wallache sah nahezu alle Pferde am Start, die derzeit im deutschen Trabersport Rang und Namen haben. Das Attribut Extraklasse galt im Vorfeld natürlich insbesondere für den Publikumsliebling Orlando Jet und angesichts der Tatsache, dass der vierbeinige Düsenjäger in Berlin seit 2016 ungeschlagen war, überraschte es nicht, dass die Zuschauer Rudolf Hallers Vierbeiner-Crack auf den 1,6:1-Favoritenthron hoben. Tatsächlich schien sich alles nach Plan für den Mariendorfer Bahnrekordler zu entwickeln. Denn vom Startplatz 2 aus strebte der Ausnahmetraber in der höllisch schnellen 07,5-Anfangsphase, in der nur Inspector Bros (Jaap van Rijn) erbitterte Gegenwehr leistete, an die Spitze.
Im weiteren Verlauf marschierte zwar Norton Commander (Marc Elias) in der Außenspur auf. Aber als der erneut nicht zu alter Form zurückfindende Fuchshengst im Schlussbogen immer mehr in Nöte geriet und fast schon folgerichtig von den Beinen kam, schien die Messe endgültig gelesen zu sein – zumal einige von Orlando Jets vermeintlichen Hauptgegnern wie Ids Boko (Robin Bakker), Mister F Daag (Micha Brouwer) oder Tsunami Diamant (Andre Bakker) in dieser Phase noch um einige Längen zurücklagen. Auch der von Dion Tesselaar gesteuerte Officer Stephen, der unterwegs als viertes Pferd an der Innenkante postiert war, wirkte nicht siegverdächtig. Doch als mit Erreichen des Einlaufs genügend Platz da war, nahm ihn Dion Tesselaar heraus und das Publikum traute seinen Augen nicht. Denn Officer Stephen wuchsen Flügel.
Obwohl die letzten 400 Meter des Rennens in 11,8 gelaufen wurden und Orlando Jet Ende der Gegenseite sogar eine irre 08,8-Zwischenzeit auf die Piste getrommelt hatte, machte Officer Stephen Schritt für Schritt Boden auf den Piloten gut und zog in neuer persönlicher Bestzeit von 11,4/1.900m – also nur drei Zehntel über dem Bahnrekord – an dem Topfavoriten vorbei. Dion Tesselaar konnte den nie für möglich gehaltenen Triumph des 54,4:1-Riesenaußenseiter selber kaum fassen, zumal Officer Stephen auch noch ein ganzes Jahr pausiert hatte: „Ich wusste natürlich schon immer, dass er ein außergewöhnlich gutes Pferd ist, das aufgrund seiner mächtigen Körpergröße etwas Zeit für die optimale Entwicklung braucht. Aber dass Officer Steven nach seiner Pause auf Anhieb an derart hochkarätigen Gegnern ganz locker vorbeiläuft, hätte ich nicht gedacht.“ Anderthalb Längen hinter dem Sieger war der Ehrenrang von Orlando Jet, der sich mit einem kurzen Kopf vor Inspector Bros über die Linie rettete, alles andere als eine Schmach. Denn er lief 1:11,6 min. und irgendwann endet nun mal jede Serie – auch wenn es schmerzlich ist. Eine sehr gute Note verdiente sich zeitgleich auch Ids Boko als Vierter. Der Hengst musste im Schlussbogen weit nach außen genommen werden und war neben Officer Stephen im Einlauf das schnellste Pferd. Bei optimalerem Verlauf wäre für ihn noch viel mehr zu erreichen gewesen.
Sogar noch höher als der Wettkampf der besten Hengste und Wallache war der Hauptlauf der fünf- bis siebenjährigen Stuten dotiert. Inklusive der Züchterprämie standen stolze 67.160 Euro über diesem Rennen. Die Prüfung wurde zur Gala einer echten vierbeinigen Königin: Die von Michael Nimczyk präsentierte Goldy Stardust zeigte einmal mehr, dass sie für ihren Besitzer Hans Brocker und das gesamte Stallteam tatsächlich Gold wert ist. „Dieses Pferd ist einfach unbeschreiblich – die Stute ist für uns alle eine Quelle der Freude und ich bin jedes Mal stolz, dass ich sie fahren darf“, sagte Michael Nimczyk bei der Siegerehrung sichtlich bewegt und seine Worte waren keine Übertreibung. Denn die Leistung, die Goldy Stardust in 12,6/1.900m auf der Derby-Bahn zeigte, war eine Demonstration.
Keiner ihrer neun Gegner
hatte gegen die Siebenjährige auch nur den Hauch einer Chance. Die Braune
schoss in 06,6 sofort an die Spitze und löste sich bereits im Schlussbogen um
unzählige Längen vom Feld. „Wenn sie alleine in Front ist, wird sie manchmal
etwas phlegmatisch“, schilderte der Deutsche Meister die Szene mit einem
Schmunzeln im Gesicht. „Deswegen wollte ich eigentlich die Watte ziehen – aber
ich habe mich dann umgedreht und gedacht: Von den Konkurrenten kommt wohl nicht
mehr allzu viel!“ In der Tat: Goldy Stardust triumphierte mit riesengroßer
Überlegenheit – und dass sich die Trainingsgefährtin Arendelle (Robin Bakker)
obendrein auch noch mit viel Speed vor der durch die zweite Spur marschierten
Stonewashd Diamant (Victor Gentz) das zweite Geld holte, wird Michael Nimczyk
umso mehr gefreut haben.
Nicht nur in den beiden Hauptläufen der fünf- bis siebenjährigen Traber, sondern auch in den vier Entlastungen gab es außergewöhnliche Leistungen. Sehr optimistisch und offensiv ging Josef Franzl mit Mac Smily zur Sache und fuhr das Rennen in 13,2/1.900m von der Spitze aus gegen den nur mit einer Halslänge unterlegenen Massai (Tom Kooyman) nachhause. Der Silberhelm freute sich im Anschluss über seinen momentan bärenstarken Schützling: „Ich hatte mir diese Strategie schon im Vorfeld zurechtgelegt und wusste, dass Mac Smily es in seiner aktuell tollen Verfassung richten kann.“ Das gleiche Vertrauen hatte „Seppi“ Franzl natürlich auch in Azimut, der zur Quote von 1:1 als reiner Geldwechsler fungierte, also das uneingeschränkte Vertrauen des Publikums genoss. Der Hengst gewann in 13,8/1.900m ebenfalls von der Spitze aus, sorgte aber in der Anfangsphase für eine Schrecksekunde, als er ganz kurz wechselte. Sein Trainer fing eine drohende Galoppade aber gekonnt ab.
Bei seinem Sieg mit Mister Ed Heldia stand Michael Nimczyk etwas das Glück zur Seite, denn der Hengst hatte nach einem passablen Verlauf mit Führpferd die Ziellinie hinter dem von Rob de Vlieger gesteuerten General Lee eigentlich nur als Zweiter passiert. Da aber General Lee im Einlauf von der Innenkante weg in eine nicht weit genug geöffnete Lücke gestoßen war, wurde der Wallach auf den fünften Rang zurückgesetzt. Die dickste Entlastungsbörse – inklusive der Züchterprämie fast 17.000 Euro – gab es wiederum für die Stuten zu ergattern. Es begaben sich allerdings auch nicht weniger als 13 Ladies in das Getümmel – der Lohn musste also hart verdient werden. Das Ergebnis war eine erstaunlich klare Angelegenheit. Ice Dragon drückte der Prüfung mit Robin Bakker im Sulky völlig problemlos ihren Stempel auf, zog vor den Tribünen im Rush nach vorne und siegte mit anderthalb Längen Vorsprung unangefasst.
Vier weitere toll besetzte Rennen rundeten die sportlich herausragende Veranstaltung ab und auch hier punktete Michael Nimczyk. Schon von der Papierform her war klar, dass sich Favori de la Basle eigentlich nur selber schlagen konnte. Der Goldhelm ließ sich mit Bernhard Schuchs Franzosen lange Zeit und machte erst auf der Schlusshalben richtig Dampf – sein Schützling gewann überlegen. Jaap van Rijn schickte John King Boko nach einer halben Runde energisch an die Spitze und der Hengst behielt gegen den außen herum vehement nachsetzenden A Secret Word (Jörgen Sjunnesson) in 13,4/1.900m knapp die Oberhand. Noch zeitiger war der vom frischgebackenen Familienvater Jochen Holzschuh präsentierte Julnick Shark zur Stelle. Der Crack des Stalls Hegeholm triumphierte Start-Ziel. Nach genau demselben Strickmuster schlug Thorsten Tietz mit Power Snatch zu. Der Erfolg für die Farben von Angela Hahn und André Pögel machte Geschmack auf mehr. Denn als Tietz dem Fuchs aus dem Schlussbogen heraus den Kopf freigab, verriet der Wallach ein enormes Laufvermögen.
Gesamtumsatz: 192.171,48 Euro – Bahnumsatz: 52.799,20 Euro – Außenumsatz: 139.372,28 Euro.
Unser
Terminhinweis: Die nächste Mariendorfer Veranstaltung findet bereits am morgigen
Sonntag, dem 25. Oktober statt. Dann steht der zweite Tag des großen
Breeders-Crown-Meetings auf dem Programm! Es geht in den sechs Hauptläufen und
den Entlastungen für die Top-Profis aus ganz Europa um rund 150.000 Euro
Prämie! Der erste Start erfolgt um 13.30 Uhr.