Die Gesetzten erfüllen alle Erwartungen
Vorläufe zum trotto.de 128. Traber-Derby: Die drei Musketiere Schampus, Y Not Diamant und Gio Cash mit brillanter Pflicht – ein Diamant zoomt die Dreijährigen-Serie – Charlie-Mills-Memorial: Bayard einsam voraus – Jacques Villeneuve rast zu „Silber“
(MW) Besser als tags zuvor die Ladys versahen die drei für die Derby-Vorläufe gesetzten Hengste ihren Dienst: Schampus, Y Not Diamant und Gio Cash waren bei Quoten von 14, 10 und 11:10 jeweils mit dem Richterspruch „überlegen“ souveräne Ware. Es ist also alles angerichtet für den großen Show-Down in zwei Wochen, der da in der 128. Auflage des Blauen Bandes, das seit 2022 für vierjährige Traber vergeben wird, lautet: Wer ist der beste Vierjährige im ganzen Land? Gab es heute pro Vorlauf 20.000 Euro zu verdienen, so werden die drei Musketiere samt ihren neun Knappen am 20. August um 250.000 Euro in das 1.200-Meter-Oval steigen nach dem Motto: Jeder für sich und gegen Alle.
Die Vorläufe
Nach den glatten Niederlagen gegen Gio Cash und Y Not Diamant offenbar mit Wut im Bauch war Schampus in Vorlauf 1 unterwegs und machte in beeindruckender Manier Tabula Rasa mit der überforderten Konkurrenz. Einzig am Start gab’s eine kleine Schrecksekunde, als der Propulsion-Sohn kurz ins Schwimmen geriet. Josef Franzl fing ihn gekonnt ab, und fortan gab’s kein Halten mehr zum sechsten Erfolg aus lediglich neun Starts. Am Ende konnte Lasbeks Gestütstrainer bequem Bekannte grüßen, so weit voraus war sein Hengst. Seinen Windschatten nutzte See the Moon zum Ehrenplatz vor Yahoo Diamant und Panta Rhei, womit mit Stefan Hiendlmeier auch ein Amateur im Finale präsent sein wird. 1:12,2 bei immer stärker einsetzendem Regen war Schampus‘ nachdrückliche Ansage in Richtung der beiden anderen Gesetzten.
Auch Y Not Diamant erledigte die Pflicht vor der Kür in Qualifier 2 kurz und schmerzlos. Im Bewusstsein der Stärke des Odessa-Santana-Sohnes ließ es Robin Bakker von der „7“ eher gemächlich angehen und bekam vor Augen geführt, wie leicht man auf dem durch den Dauerregen immer schlüpfriger werdenden Parkett ausrutschen kann: In kurzer Folge verabschiedeten sich Velten von Steven, Smart Hill As und Mac Idzarda im Galopp aus dem Derby. Als die Bahn frei war, gab Bakker Gas. Josef Franzl legte im mit Simba keine Steine in den Weg - schon war nach 450 Metern die Frage nach dem Sieger geklärt, der sich eine Runde später in 1:12,9 mühelos auf zwei Längen absetzte, seinen zahlreichen Anhängern jedoch neben Losen für die große Prämienausspielung bei 10:10 nur die „Geld-zurück-Garantie“ bescherte. Mit ihm dürfen Uccellone, der von diesem knapp abgefangene Simba sowie der Berliner Honey Bear in 14 Tagen noch mal ran.
Es gab nach der krachenden Niederlage im Buddenbrock-Rennen nicht wenige, die Gio Cash den Status der Nummer eins im Jahrgang abgesprochen haben. Im vermeintlich anspruchsvollsten 3. Vorlauf hieb die 11:10-Chance knallhart mit der Faust auf den Tisch und ließ mit einem überlegenen Sturmlauf vorneweg keinen Zweifel, dass der Sieg im Blauen Band nur über die Berliner Pflanze geht. Dion Tesselaar machte kurzen Prozess, übernahm früh die Führung und setzte sich mit dem Rappen im Einlauf in 1:12,6 auf fünf Längen ab. Ernüchternd, wie krass der in Italien von Holger Ehlert vorbereitete und in Gio Cashs Fahrwasser ideal untergekommene Fiorano im Einlauf das Handtuch warf und als Fünfter das Finale krachend verfehlte. Umso bemerkenswerter der Auftritt Perfectos, der tapfer wie ein Löwe durch die Todesspur marschierte und seinen ständigen Schatten Django Hill sicher in Schach hielt. Mit Sir Express brachte Wolfgang Nimczyk auch seinen zweiten Starter in den Endlauf.
Charlie-Mills-Memorial: Bayard unverwüstlich
Anders als von den Experten prognostiziert verlief das an den vor 51 Jahren verstorbenen Charlie Mills erinnernde Memorial, das sich ganz im Sinne des Mannes mit der unvermeidlichen Zigarre an die beste Klasse richtete. Wie im Derby 2020 rutschte Keytothehill am Start aus, so dass Bayard ohne Problem in Front flitzen und dort, weil niemand ernsthaft angriff, alles nach eigenem Gusto regeln konnte. Rasant ging es noch einmal auf den letzten 800 Metern zu, als Robbin Bot mit seinem Herzenspferd das Tempo derart hochschraubte, dass ihn auch der eisenharte Major Ass nicht zu packen bekam. Immerhin blieb dem Berliner Major Rang zwei vor Isla, die aus zweiter Startreihe im Fahrwasser Bayards bestens untergekommen und die eigentliche Überraschung des Rennens war. Dem anfangs gestrauchelten, aber nicht gefallenen Favoriten Keytothehill blieb wenigstens Platz vier.
Und es hat „Zoom“ gemacht
Überhaupt nicht beeindrucken ließen sich die acht dreijährigen Hengste und Wallache im mit 50.000 Euro wertvollsten Match des verregneten Nachmittags vom immer matschiger werdenden Geläuf. Das Finale der Dreijährigen-Serie wurde wie erwartet eine Beute des Quartiers von Paul Hagoort, doch war es nicht die vermeintliche Nummer eins Yin Yang, der den fetten Rahm abschöpfte. Resolut fuhr Micha Brouwer mit der zweiten Farbe Zoom Diamant nach vorn, was für den Maharajah-Sohn der Besitzergemeinschaft MS Diamanten/Johann Holzapfel Erben die ganze Miete war. Zwei Längen voraus kassierte der Wallach 25.000 Euro, und auch das „Waschgeld“ für Comand and Conquer S, den Michael Nimczyk um einen Hauch eher an der Linie hatte als Bakker Yin Yang, konnte sich mit 12.500 Euro sehen lassen.
Jacques Villeneuve barfuß im Regen
Eigentlich sprach im Finale der sich seit März durch den Berliner Traberkalender ziehenden Silberserie um 20.000 Euro nichts für Jaques Villeneuve, der mit mittelprächtigen Formen und Startplatz „8“ gegen echte Siegertypen trotz Michael Nimczyk am Lenkrad für 17fache Sieg-Odds zu haben war. Aber dann sprangen Blind Date, Idefix und Kirby Starlake in der Startphase, und „ich setzte auf volle Offensive, weil er harte Rennen von der Spitze mag. Ich hoffte, Josef Franzl würde seine vierjährige Scala nicht Kopf stellen und mich vorbeilassen“, rekapitulierte der deutsche Goldhelm, der damit seinen Vorjahrssieg mit dem inzwischen nach Schweden abgewanderten Lindstedt Boko wiederholte, und hatte richtig gepokert. Einmal vorn, ließ sich der ohne Eisen antretende Hengst keinen Augenblick von der Siegerstraße schubsen und legte für den zwölften Sieg eine dicke Kohle drauf. Kosmos Renka erkämpfte den Ehrenplatz vor Waldgeist, Orkan Bo und Scala, die allesamt nicht viel trennte.
Zum Auftakt ließ Linda Matzky die Berliner Fans trotz des Nieselwetters jubeln. Im Vergleich der Gewinnärmsten gab die junge Amazone nach einer ausgeschlafenen Fuhre aus der Deckung mit dem eigenen Lion Greenwood den gestandenen Profis Heiner Christiansen (Suárez) und Jens Bergmann (Merano Boko) locker das Nachsehen und sorgte für erste Freudentränen im und rund um den Winner Circle.
Eine Etage höher war Marciano Haubers Schachzug, nach hart erkämpfter Führung gegen Simon Santana diesen gleich wieder vorbei zu lassen, den ersten Sieg Gotta be Brilliants wert. Im Einlauf kam der Wallach passend aus der Deckung und schlug kurz und trocken zu.
Im Hotel-Estrel-Cup legte Tracy einen Sololauf vom Feinsten hin. Nur 400 Meter gelang es Daria, die Lasbekerin an der Kommandoübernahme zu hindern. Dann hatte Gerhard Mayr ein Einsehen und trat gegen die Favoritin zurück, die am vierten Sieg in Folge, der turmhoch überlegen ausfiel, zu keiner Sekunde den geringsten Zweifel ließ.
Eine gemähte Wiese betrat im 2. Lauf des Handicap de Luxe Favorit King of Santana, mit dem Rudolf Haller nach einem Sicherheitsstart nach einem halben Kilometer das Kommando übernahm. Die weiten Mariendorfer Bögen behagten dem manchmal recht unwirschen Wallach sehr, der sich ganz leicht von einer kämpfenden Meute absetzte, aus der sich Lotus Kimberly als Zweitbeste herausschälte.
Das an den vor sechs Jahren verstorbenen Gerhard Krüger erinnernde Rennen der Publikumslieblinge, der von Berlin ausgezogen ist, die Traberwelt zu erobern, münzte Jochen Holzschuh aus der Deckung zu einem spektakulären Spurterfolg Di Ospeos um. Das viertelstündige Warten im Regen lohnte sich für die Beiden jedoch nicht, denn wegen einer Störung von Stepstone wurde Di Ospeo in einer, um es durch die Blume auszudrücken, sehr kontrovers diskutierten Entscheidung der Rennrichter hinter diesen gesetzt. So konnte Dennis Spangenberg mit dem für die Berliner Familie Föllmer laufenden, nicht minder prächtig spurtenden Don Timoko zur Ehrung vorfahren.
Die beiden Läufe zum Derby-Pokal der Amateure gingen an Klaus Hazelaar, mit dem Emma Stolle nach einem Kilometer an die Flanke des führenden Crazy Boy zog und den Ganymède-Sohn im Einlauf schnöde rechterhand stehen ließ, und in einem „Schmiedetreffen“ an den von Hans-Jürgen von Holdt pilotierten Marcel. Mit dem in der Ukraine geborenen Fuchs nutzte der „Huf-Pedikeur“ aus Schleswig-Holstein Startplatz „5“ und ließ seinen Berliner Kollegen Andre Pögel eiskalt abblitzen, dessen Power Snatch durch Startreihe zwei entscheidend gehandicapt war. Zum Abschluss durften die Trotteur français ran, bei denen sich Favorit Hero d’Hertals mit Jaap van Rijn ganz leicht durchsetzte, obwohl Hollands Champion nach zwei Fehstarts selbst nicht mehr daran glaubte.
Wie üblich gilt der letzte Blick dem Umsatz. Pro Rennen fiel er von 27.063 Euro im Vorjahr auf 25.449 Euro - ein Minus von sechs Prozent. Zugpferd war neben der üblichen V7+-Wette die V5-Wette, die den Wettern dank eines Jackpots vom Vortag 22.686,70 Euro aus den Taschen lockte.
Umsatz bei 14 Rennen: 356.282,23 Euro (incl. 228.387,18 Euro Außenwette), davon 24.199,- Euro in der V7+-Wette (2022: bei 14 Rennen 378.875,- Euro / 25.787,30 Euro in der V7+-Wette)