GRANDIOSER TRIUMPH: MICHAEL NIMCZYKS ERSTER SUTENDERBY-SIEG
La Grace „wie auf der Parade“ – der Goldhelm auch im Trostlauf top – Zauni mit fantastischem Monté-Rekord – Super Trot Cup an Fabio Bianco und Rob de Vlieger
(mw) Man konnte die Pflastersteine förmlich plumpsen hören, die dem Ehepaar Mommert und Michael Nimczyk nach dem zum 31. Mal ausgetragenen Stuten-Derby von den Herzen fielen. Im extrem ausgedünnten deutschen Zuchtrennen-Kalender tilgte der achtfache Goldhelm endlich einen weißen Fleck in seiner Vita und trug sich erstmals in die Siegerliste eines Derbys ein, und Identisches gilt für die überglücklichen Besitzer, die im den letzten Jahrzehnt nicht nur in die Mariendorfer Rennbahn-„Hardware“ immens investiert haben, sondern auch in den Aufbau einer extrem schlagkräftigen Vierbeinigen-Armada. Einen Tag, nachdem ihr großer Bruder Laurel Park den Derby-Marathon leicht und locker gewonnen hatte, tat es ihm die kleine Schwester La Grace in ähnlicher Manier nach und bescherte ihrem Fahrer und dessen als Trainer verantwortlich zeichnenden Vater Wolfgang den bedeutendsten Erfolg der Laufbahn. „Ich brauchte sie nie zu fordern - da war noch sehr viel Luft nach oben“, hatte der 33jährige nach dem überaus leichten Vorlaufsieg vor 14 Tagen viel Optimismus ausgestrahlt.
100 Meter nach dem Start dürfte der Adrenalin-Spiegel zumindest der äußeren Beteiligten Richtung Normalmaß gefallen sein, denn La Grace setzte mit dem ersten Schritt alle Hoffnungen wie ein altgedienter Profi um. Leichtfüßig und ohne einen wackligen Moment spritzte die Tochter der Le Rêve (der Traum) sofort nach vorn, während Klingande beim „Ab“ im Galopp „out“ war, und konnte sich alles ohne mit der Wimper zu zucken einteilen. Jetway Fortuna, Brightlands und Gaja folgten ihr innen, erst Jessy Schermer, dann Jeanet Newport, schließlich Janske Beemd waren die Zugpferde in Spur zwei, wodurch Rock my Dreams, als Einzige zur etwas ernsthafteren Herausforderin der Nimczyk-Stute erkoren, immer weiter aus dem Blickfeld geriet. Als Josef Franzl schließlich nach einer Runde in dritter Spur zu vorderen Ufern aufbrach, war es gar kein Problem für La Grace, fast spielerisch zuzulegen. Ohne einen Handschlag ihres Piloten kontrollierte sie, „die alles hat, was ein exzellentes Rennpferd braucht: Mut, Trabsicherheit, Kapazitäten und ein tolles Nervenkostüm“, Zeit, Gegner und Raum. So überlegen, wie „Meiki“ seinen ersten Derby-Titel einfuhr, sicherte sich Josef Franzl mit Rock my Dreams für eigene Kasse den Ehrenplatz vor Jetway Fortuna, für die Cees Kamminga keine bessere Lokomotive als „die Begnadete“ hätte finden können. Gaja und Brightlands holten, konsequent innen auf Arbeit, die Prämien vier und fünf.
Sieben Starts, vier Siege, zwei Ehrenplätze, 52.002 Euro Gage - „bleibt La Grace gesund, werden wir noch viel von ihr hören“, war das Schlusswort des deutschen Trainerchampions Wolfgang Nimczyk, der sie gemeinsam mit Sohn Michael das Einmaleins der Traber gelehrt hat.
Trostlauf für Marylin
Maß genommen für sein größtes Ding hatte „M.N.“ drei Stunden zuvor im Trostlauf, der eine glasklare Sache für Marylin Monroe Bo wurde. Hatte die Andover-Hall-Tochter vor 14 Tagen die Startphase nicht fehlerlos überstanden, so bekam sie die diesmal aus der zweiten Reihe von der „12“ geradezu brillant hin, wogegen die heiße Favoritin Jacky Bros wie schon im Qualifier im Galopp sofort „out“ war. In der ersten Kurve kreuzte der Goldhelm an der Seite von C’est si bon auf, übernahm ausgangs derselben das Kommando und hatte damit alle Trümpfe in der Hand. Die spielte er eine Runde später entschlossen aus und führte die Schwester von Donna Kievitshof und Kiss Me Bo zu einem ganz leichten Erfolg vor Vincennes Diamant, Jamaica Ferro, C’est si bon und Gwendoline Go, die den Marsch durch die Todesspur nicht ganz durchstand.
Danach durfte endlich auch mal Thorsten Tietz, für den das Meeting bislang unter aller Kanone gelaufen war, zur Siegerehrung umdrehen. Im Pokal der Publikumslieblinge drückte der 41jährige mit Glaedar, bis er nach knallharten 600 Metern endlich in Front war. Als Larsson nach einer Runde aus dem zweiten Paar außen attackierte, zog er ihm mit einer Tempoverschärfung das Weiße aus den Augen, was in einer Endzeit von 1:13,1 gipfelte.
Super Trot Cup nach Holland
Mit 70.000 Euro nicht viel weniger wert als das Arthur-Knauer-Rennen war das Finale des heuer über sechs Vorläufe in sechs verschiedenen Ländern entschiedenen Super Trot Cups. Aus Mailand, Baden bei Wien, Jägersro, Wolvega, Berlin-Mariendorf und dem jütländischen Skive stellten sich die Siegertypen der 2500-Meter-Aufgabe, bei der lange Zeit Wolvega-Sieger Durk M Boko den Vorsitz vor Vincent SM, Fabio Bianco und Desert King führte und dem zweimaligen Versuch Heinz Wewerings, ihm mit Rainbow Diamant schwungvoll den Taktstock zu entreißen, eisern widerstand. Das sollte für Beide Folgen haben, denn auf den finalen 600 Metern packten sie gründlich ihre Sachen. Dafür wurden die Jägersroer und Badener „Winner“ Zefiro dei Cedri und Pocahontas Diamant umso promineter, und allmählich schien sich die Waage Richtung der seit einem Jahr in Italien bei Alessandro Gocciadoro stationierten „diamantenen Häuptlingstochter“ zu neigen. Bis ins Ziel rangen sie um jeden Zentimeter, waren an der imaginären Linie gleichauf - und durften sich den Sieg dennoch nicht teilen. Wie ein Falke auf Beute hatte innen Rob de Vlieger gelauert, erspähte die Lücke, schoss mit Fabio Bianco verblüffend leicht hindurch und bescherte all jenen, die an ihn geglaubt hatten, mit 136:10 ein schönes Aufgeld. „Danke für die Blumen, was die exzellente Fahrership betrifft, aber wenn du ein gutes Pferd hast und die Ausgangslage stimmt - die ‚5‘ war ideal -, ist es leicht, gut auszusehen“, bedankte sich der auf den letzten Metern fliegende Holländer bei Moderator Christoph Pellander, „ich habe Fabio noch gar nicht lange in Training, so dass die Meriten auch all jenen gebühren, die ihn vorher betreut haben. Schon in Wolvega gefiel er mir ausnehmend gut. Wir hatten das Pech, im letzten Bogen in ein ziemliches Durcheinander zu geraten und das Glück, dass wir’s gerade so ins Finale geschafft haben. Sonst wären wir heute gar nicht hier.“ So dicht beieinander liegen „Hosianna“ und „Kreuziget ihn“ nicht nur im Pferdesport. „Als I-Tüpfelchen ist er rundum barfuß gegangen. Das mag den Ausschlag gegeben haben.“
Kurios: Wie Michael Nimczyk hatte auch de Vlieger sich zuvor die Stätte der Siegerehrung genau angeschaut. Ein Flieger-Rennen über 1609 Meter, bei dem die ersten Zwischenzeiten bei 1:14,6 und 1:20,4 liegen, spottet eigentlich seinem Namen. Rudi Haller durfte mit Windhund die Fahrt lange Zeit herausnehmen und war, als es endlich richtig losging, trotzdem sofort in Nöten. Im hin- und herwogenden Finish schien erst Horeau, dann Frosted, auf den letzten 100 Metern Nashua die besten Karten zu haben - bis aus dritter Innenposition plötzlich und unerwartet I’ll be there und Rob de Vlieger da waren und mittenmang zum knappen Erfolg vor Nashua durchstießen.
Zauni sorgt für Gänsehaut
Im Vorjahr vermochte Ronja Walter ihren Sieg mit Zauni im Monté-Derby, das sich Mariendorf 2013 zum 100. Geburtstag gegönnt hatte, kaum zu fassen. Diesmal legte das Dream-Team für 21:10 los, wurde dieser Wertschätzung vollauf gerecht und lieferte eine Vorstellung ab, die schlichtweg galaktisch war. Am Ende eines denkwürdigen Trabreitens gelang dem sechsjährigen Hengst, der nur noch unterm Sattel antritt, nicht nur die Titelverteidigung: Mit irren 1:11,5, was auch der anfänglichen Hetzjagd Tosca Victorys zu danken war, der nach einer Runde als Hase stehend KO ging, stellte Deutschlands Traber des Jahres 2018 einen neuen Monté-Bahnrekord auf (der nur 0,3 Sekunden über dem „gefahrenen“ von Fridericus liegt) und war zugleich schnell wie kein Satteltraber zuvor auf deutschem Boden. Dass das Duo dennoch bis zum Zielstrich gefordert wurde, lag an Hambo Transs R, der wie eine Klette an ihm klebte und sich lediglich um eine Länge geschlagen gab. „Die vielen Reisen und Schlachten in Frankreich steckten ihm im Frühjahr doch etwas in den Knochen. Sechs Wochen Rennpause haben ihm die Freude am Laufen wiedergegeben. Das war schon zuletzt beim Sieg in Wolvega deutlich sichtbar“, strahlte Trainer Manfred Walter von einem Ohr zum anderen.
Das Match der Oldies, jener Steuermänner, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, ging an Gerhard Biendl, der Rilana mit dem ersten Schritt souverän um die Runden führte. „Sie war mit dieser Aufgabe besser bedient als mit dem ebenfalls möglichen Stuten-Derby-Trostlauf“, kommentierte der x-fache Bayern-Champ. Für Berlin holte Manfred Zwiener mit der fein spurtenden Estrella AV den Ehrenplatz gegen den innen geschonten Ijsvink.
Mit sieggewohnten Kandidaten nur so gespickt war das Gottlieb-Jauß-Memorial, mit dem Mariendorf seinem am 12. Juli 1999 tödlich verunglückten 16fachen Fahrerchampion ein Denkmal gesetzt hat, und das an einen echten Krieger ging: Massai parkte neben Kentucky Bo, der mächtig hatte kurbeln müssen, um gegen Big Boss As, Rebound und P.S.Confess ins Kommando zu gelangen, nahm sich an der letzten Ecke den Wieserhofer kräftig zur Brust und hatte noch so viel Pep intus, dass er sich in erstklassigen 1:12,9 Cachamour, Arendelle, Hector Boko und Osoma locker vom Leib hielt. „Endlich zeigt er auf Dauer, was er früher versprochen und nur hin und wieder angedeutet hat“, war Tom Kooymans Kurzkommentar.
Mit einem fetzigen Endkampf im zweiten Luxus-Handicap des Meetings wurden die Fans auf einen grandiosen Renntag maßgerecht eingestimmt. Lange schien die ungemein gehfreudige Ghislaine nach ihrem Blitzstart einem einsamen Triumph entgegen zu streben. Die Rechnung war jedoch ohne Wirt Longhire gemacht, der in der „Todeslage“ sehr lebendig wirkte, sich die Stute auf den letzten Metern griff und einen sehr zufriedenen Kornelius Kluth in den Winner Circle beförderte. Danach sollte eigentlich Michael Nimczyk mit King of Times sein Terrain abstecken, denn nach der bombastischen 1:15,7-Quali in Mönchengladbach wurde der großgewachsene Hengst zur Premiere als 16:10-Favorit aufgezogen. Keine Chance hatte er jedoch gegen einen French Kiss HR, mit dem Cees Kamminga sofort in Front bretterte und einen 1:15,3-Tempolauf vom Feinsten hinlegte.
Richtig fit präsentierten sich im Rennen für den Fahrernachwuchs Preben Sövik und Slimfit. Aus dem dritten Paar außen nach einer Runde in dritte Spur in Marsch gesetzt, hielt der Timoko-Sohn mit dem in Südschweden bei Ola Samuelsson in die Lehre gehenden 29jährigen den weiten Transport prima durch und war durch Sophia Raschat und So Keck nicht mehr zu erschüttern. Auch die Amateure durften noch mal ran. Die zügigere Startphase entschied zugunsten von La Ballade und Dr. Marie Lindinger, die aufpasste, dass hinter ihr Fitforfun nicht aus dem Schwitzkasten kam und, durch die außen trabende French Kiss zur Tatenlosigkeit verdammt, mit Platz drei abgespeist wurde.
Fort setzte sich das Wechselspiel der Lasbek-Traber, die mal im Sturmlauf die Welt erobern und dann unerklärliche Schwächen zeigen. Die bereits vor 14 Tagen siegreiche Naama spazierte, nachdem sie das Handicap der zweiten Startreihe bestens gelöst hatte, ab Beginn der Tribünengeraden in beeindruckendem Stil vorneweg. „Wir haben etwas an der Zäumung geändert. Damit ist sie viel konzentrierter. In dieser Verfassung ist sie noch für ein paar Siege gut“, war Josef Franzls Statement.
Der Abgesang gebührte den mittlerweile unvermeidlichen Franzosen-Trabern, bei denen sich Anne Lehmann über einen Doppelschlag freuen durfte, nachdem Astasa du Vivier nach ständiger Führung über 2500 Meter am Ende ein wenig die Luft ausging. Ohne Überprüfung ging’s allerdings nicht, denn im Kampf mit der plötzlich innen wie auf Schienen herandüsenden Stallkameradin City du Saptel blieb sie mit Dream Gibus hauchzart im Vorteil, doch musste erst geklärt werden, ob sie nicht zu deren Ungunsten die Fahrspur nach unten verändert hatte.
Deutlich übertroffen wurde das vorjährige Umsatzergebnis. Insgesamt 34.000 Euro mehr bzw. ein Plus von 2.500 Euro pro Rennen flossen bei erstklassigem Rennbahnwetter durch die Kassen.
Umsatz bei 14 Rennen: 507.813,- Euro (incl. 241.186,95 Euro Außenumsatz)