HOLLÄNDISCHES „MEISJE“ DÜPIERT DIE FAVORITINNEN
Die von Hugo Langeweg jun. gesteuerte Stute Ilja Medo gewinnt das als „Wettstar by PMU – Trophy“ gelaufene Bruno-Cassirer-Rennen. Das Duell zwischen Michael Nimczyk und Jörgen Sjunnesson endet 4:4 – Errakis mit dem dritten Meeting-Sieg – Sarah Kube gewinnt den Derby-Pokal der Amateure.
(mw) Mittelpunkt des Abendprogramms, das nach anfänglichen Regengüssen unter trockenen und bis Einbruch der Dunkelheit sonnigen Bedingungen fortgeführt werden konnte, war die sich an Stuten bis 20.000 Euro Gewinnsumme richtende Wettstar by PMU-Trophy - um mal mit dem Künstler Prince zu sprechen „formerly known as“ Bruno-Cassirer-Rennen, mit dem seit langem Mariendorfs erstem Retter (1913) und langjährigem Präsidenten (bis 1933) gedacht wurde. Schon der Vorlauf für die „armen Girls“, jene bis maximal 8.000 Euro Gewinnsumme, hatte es in sich. „Sie kann laufen, wo Sand ist und wird gewinnen“, hatte Woodbrown Beautys Züchter, Besitzer und Trainer Frank Ostermann klipp und klar vorab kundgetan, und sein „Verwandler“ Jörgen Sjunnesson und die fünfjährige Goetmals-Wood-Tochter hielten Wort. Start-Ziel war das Gespann eine Macht, legte enormes Tempo vor und erstickte alle Angriffsversuche rabiat im Keim. Am besten vom Rest hielt sich Cora Sun, die einen gewaltigen Abstand zur durch einen „Platten“ gehandicapten Dritten Ida F Boko und den übrigen Finalistinnen Gingerbell und Uptoheaven Diamant hatte.
Genau so kernig verlief Qualifier 2, in dem Lucky Lady Blue unterstrich, dass ihr Triumph am 21. Juli über So Keck und Hannah Hazelaar keine Eintagsfliege bleiben sollte. Ausgangs der ersten Kurve in Front gezogen, ließ Hannu Voutilainen bald den mit Super Pro „dauerfeuernden“ Gerd Biendl vorbei, der die stramme Fahrt voll durchzog. Das stellte die hinteren Chargen, zu denen Hannah Hazelaar und die für 2.500 Euro nachgenannte Favoritin Zante Grif zählte, vor unüberwindliche Probleme. Die Italienerin signalisierte in dritter Schlussbogenspur erste Nöte und sprang schließlich im Bemühen, wenigstens das Finale zu erreichen, das brave TraberParti-Girl ließ mal wieder jenes Fitzelchen Spritzigkeit vermissen, das auf diesem Level notwendig ist, und eine ernüchterte Besitzergemeinschaft zurück. Anders Lucky Lady Blue, die ratzfatz auf der sicheren Seite war und in tollen 1:13,3 2½ Längen vor ihrem Schatten Ilja Medo, der aus der äußeren Deckung zuschlagenden C’est La Vie C, Super Pro und Queen for a Day durchs Ziel flitzte.
Im 20.000 Euro wertvollen Finale verpasste Ilja Medo, einzig derentwegen Hugo Langeweg junior angereist war, ihrem Trainer Marcel Hauber ein Déjà-vu-Erlebnis: 2018 hatte für ihn Jaap van Rijn mit der inzwischen hierzulande wohlbekannten Gian Luca Pasel die 10.000 Euro Siegprämie eingerannt. Nun folgte ihr die Muscle-Mass-Tochter auf dem Thron. Hollands vielfacher Champion brachte das holländische Meisje blendend aus dem zweiten Band hinter Super Pro unter, die an der 2020-Meter-Startmarke als Einzige noch fetziger in die Hufe kam, und lauerte an der Innenkante mucksmäuschenstill auf ihre Chance. Die kam, als erst Cora Sun beim Angriffsversuch in der letzten Biege aus dem Takt geriet und der teils mit fünf Längen führenden Woodbrown Beauty, deren Kräfte Jörgen Sjunnesson beim zweiten Mal wohl etwas überschätzt hatte, ganz sachte die Luft ausging. Schien es zunächst, als presche Gerd Biendls Super Pro mit Hurra zum Sieg, so konnte es aus ihrem Windschatten Ilja Medo noch eine ganze Ecke besser. Wuchtig ließ die Braune mit der langen, breiten Blesse ihre Kontrahentin um 1½ Längen rechterhand liegen und feierte den bedeutendsten Erfolg der Karriere. Deutlich hinter Super Pro wurde Woodbrown Beauty auch von Lucky Lady Blue und Queen for a Day eingesammelt, so dass die ersten vier Prämien allesamt an mit 20 Meter Zulage bedachte Ladys gingen. „Zum ersten Mal hat Marcel sie mit Zugwatte ausstaffiert - das hat prächtig hingehauen“, strahlte der 35jährige „Junior“, „ausgangs des Schlussbogens war ich mir meiner Sache ziemlich sicher, obwohl Super Pro dort noch stramm unterwegs war. Heute abend wird bei der Strohballen-Party kräftig gefeiert.“
Mächtig nasse Füße bekamen die acht Trotteurs Français, deren Auftaktprüfung von kräftigen Regengüssen begleitet wurde. Das machte Favorit Fighter Pilot wenig aus, den Mykola Volf durch die Todesspur schickte und der den Versuch Diego du Bellays, aus dem Fahrwasser von Tempomacher Elixir d’Andain abzustauben, mit letztem Einsatz zum Scheitern verurteilte. Gut abgetrocknet war die Pferde-Avus dann, als die 13 „ärmeren“ Franzosen-Traber zum Kehraus der V7+-Wette antraten. Die beiden Favoriten Fanny Hill und Errakis ließen sich weder durch eine zehnminütige Verzögerung wegen „Geschirrarbeiten“ noch einen Fehlstart aus der Façon bringen. Von der „8“ brachte Nimczyk Fanny Hill fliegend ab, aber auch Jörgen Sjunnesson hatte den diffizilen Errakis von der „13“ auf dem richtigen Fuß erwischt, fand eine exquisite Passage durch die vor ihm beginnenden Kandidaten, knöpfte der Un-Mec-d’Héripré-Tochter für die Schlussrunde die Spitze ab und hielt die Pace fortan enorm hoch. Einzig Fanny Hill und Eternity de Ginaï vermochten ihm auf den Fersen zu bleiben, und die tapfere Fanny Hill inszenierte gar einen tollen Angriff. Die beiden Fahrer des Abends boten ein begeisterndes Finish, an dessen Ende Errakis mit „Hals“-Vorsprung seinen dritten Meeting-Sieg in der Scheuer hatte und Sjunnesson zum 4:4 gegen Deutschlands Spitzenreiter ausglich.
Die erste saftige Überraschung ließ nur bis zum 2. Rennen auf sich warten. Beim Total-Ausfall der Gemeinten Quick Winner, der schon vor dem Ab galoppierte, und dem nach einer Runde mit Atemproblemen angehaltenen Oscar L.A. nutzte Catchdriver Jörgen Sjunnesson die „Kistenfahrt“ mit Iban Beuckenswyk, schlug aus der Deckung hinter Taktgeber Jeremy Dragon kurz und trocken zu und verschaffte dem Wallach beim zehnten Auftritt die erste Siegerschleife seines Lebens. Der Totalisator notierte den zweiten Sieg-Fall des Abends mit 599:10. Auch die zweite Fuhre als Ersatzmann für Manfred Walter verwandelte der Catchdriver aus Schwedens Süden, der sich in Berlin längst einen prominenten Namen gemacht hat. In einem Vier- und Fünfjährigen-Vergleich pochte er mit Caviar’s Dream unerbittlich auf die Führung und hielt den einmal eroberten Vorteil eisern bis ins Ziel gegen die auf ihn eindringenden Heine Attack und Oxidizer fest, an dem sich der innen keine freie Bahn findende Uno per te Diamant hauchdünn vorbeischob. Zwei Starter, dank Sjunnesson zwei Sieger - bei Besitzer Norbert Gehrmann könnte nach diesem traumhaften Abend durchaus Kaviar satt aufgetragen werden.
Bei strahlendem Sonnenschein war im 4. Rennen, dem Pokal der Vier- und Fünfjährigen, endlich „Goldhelm-Zeit“. Zum sechsten Mal bei ebenso vielen Starts nahm sich UBetterWin Diamant seinen Namen schwer zu Herzen; von Michael Nimczyk mit Verve losgelassen, war der Vierjährige, ein Spross des amerikanischen Spitzendeckhengsts Muscle Hill, nach 200 Metern vorn und regelte alles nach Belieben, ohne an Grenzen gehen zu müssen. Genauso leicht fiel dem 33jährigen der nächste Treffer mit Izzi’s Newport; über die Meile brauchte er 300 Meter, um G.G.‘s Victoria aus der Pole Position zu schubsen, schläferte fortan die Konkurrenz ein und setzte sich im Einlauf spielerisch ab. Treffer Nummer drei war mit Nada más fällig, der seinen Namen („nichts mehr“) konterkarierte und „viel mehr“ als alle anderen auf der Pfanne hatte. Aus Startreihe zwei ging’s gemütlich los, nach 400 Metern war’s vorbei mit der dezenten Zurückhaltung. Zügig rückte der Neffe von Derby-Sieger Nu Pagadi und Bruder Comanche Moons im ersten Bogen vor, übernahm 1100 Meter vorm Ziel die Spitze und verabschiedete sich leichtfüßig vom Rest, von dem sich über weite Wege Donna Leone H am effektivsten hielt.
Der nächste Punkt für den gefräßigen Goldhelm war im Derby-Marathon-Pokal über die 1978 letztmals geforderte Derby-Distanz von 3200 Metern fällig, in der die Vorentscheidung trotz der „2½ Runden rum“ nach 500 Metern fiel. Dort wuchtete Nimczyk seinen Laurel Park vor Nico Way an die Spitze, der anschließend als „erster Gänserich“ lange gemütlich dahinschlendern durfte. 1:09,7 für die letzten 400 Metern, dazu ohne Check und rundum barfuß aufgeboten, „womit er sich richtig wohl fühlt“ - da kam keiner mit dem von Jean-Pierre Dubois 2015 gezüchteten Großneffen der Moni Maker auch nur annähernd mit, dem 1:16,4 genügten. „Er ist enorm gereift und hat sich prächtig entwickelt. Läuft alles glatt, steht er vor einer bemerkenswerten Zukunft“, resümierte Nimczyk für den Benjamin des Feldes, der gerade 16 Starts auf dem braunen Buckel hat.
Beim einzigen Programmpunkt für die Amateure, dem achten und letzten Lauf des Derby-Pokals der Amateure, flutschte es für den frischgebackenen internationalen Amateurmeister Andre Pögel wie auf Öl. Trat er mit Perfect Hall die Spitze zunächst an William Scott ab, so holte er sie sich nach 600 Metern zurück, hielt die Pace durchweg hoch und verurteilte den Umsturzversuch seines Schattens locker zum Scheitern. Zum Gesamtsieg reichte es jedoch nicht. Den holte sich Sarah Kube mit 41 Zählern vor Ande Pögel (29) und Dr. Marie Lindinger, die einen Strich weniger auf dem Kerbholz hatte.
Wie stets gilt der letzte Blick dem Totokassen: Bei 13 Rennen flossen 2018 15.000 Euro mehr durch die Kassen. Allerdings dürften damals vier nach Frankreich übertragene und über die PMU zu bewettende Prüfungen einiges an Umsatz abgezogen haben, so dass das 2019er Plus pro Rennen von knapp 1.000 Euro mit Vorsicht zu interpretieren ist.
Umsatz bei 12 Rennen: 330.442,33 Euro (incl. 184.452,28 Euro Außenumsatz)